Emersacker. An die 50 aufmerksame Zuhörer folgten Werner Rehle auf seiner literarischen Rundtour durch den "Wald in der europäischen Literatur" - und in den Wald rund um den Eisweiher zwischen Emersacker und Lauterbrunn. Und wie anders kann man sich dem Walde nähern, wenn nicht zu Fuß - dem Versfuß und der Prosa folgend!

In weitem Bogen führte Rehle sein Publikum über 7 Haltestationen in den Wald ein, nach draußen zu Melancholie und tiefer Einkehr, nach Innen zu leichter Heiterkeit, über Stock uns Stein, im Gepäck eine reiche Auswahl literarischer Wald-Fundstücke bekannter und weniger bekannter Autoren. Die Spur des Waldes geht aus von Homers Odyssee, streift kurz Tacitus Germania und das düstere Mittelalter, übergeht die heiteren Kulissen des Barock um auf der Suche nach der blauen Blume tief in die mystische Welt der deutschen Romantik einzutauchen. Nicht nur bei Achim v. Arnim, Novalis und später Stifter und Mörike zeigt sich, dass gerade wir Deutschen ein sehr inniges Verhältnis zum Wald haben. Auch modernere deutsche Autoren des 20. Jahrhunderts wie Hermann Hesse, Rainer Maria Rilke, Erich Kästner und Günter Eich pflegen zu ihm eine zuweilen überraschend tiefe Beziehung, die sich in eindringlichen Versen auf uns Zuhörer überträgt. Natürlich haben auch Ironie, moderne Distanziertheit und das Kalkül des Verstandes einen berechtigten Platz in einer solch umfassenden Anthologie des Waldes. Besonders berührt ein Gedicht wie das des unbekannten serbischen Dichters: "Was ist der Wald für den Menschen" angesichts der heutigen Weltzustände, der fortschreitenden Umweltzerstörung. Dass ein solches "Öko-Poem" als Echo im Werk des 1. DDR-Kulturministers und Verfassers der DDR-Nationalhymne J. R. Becher wiederkehrt ist doppelt bemerkenswert …